Moskaus Botschaft trommelt

Die russische Botschaft in Berlin arbeitet in diesen Tagen unter Hochdruck. Es gilt, den epochalen Artikel von Präsident Putin über die Lehren des Zweiten Weltkrieges, wie er sie versteht, den deutschen Multiplikatoren schmackhaft zu machen. In seinem Artikel, veröffentlicht in dem US-Journal National Interest, beschäftigt sich Putin mit Hintergründen des Krieges, greift das Münchner Abkommen und die damalige Politik der Westmächte scharf an und rechtfertigt den Hitler-Stalin-Pakt.

Das sollte deutsche Geschichtswissenschaftler, aber auch Journalisten, sehr interessieren, meint die russische Vertretung in Berlin. In einer E-Mail an deutsche Historiker schlägt die Pressestelle der russischen Botschaft vor, „den Artikel von Wladimir Putin künftig bei der Vorbereitung von historischen Beiträgen zu nutzen“. Die ebenfalls angeschriebene Osteuropa-Historikerin und Professorin der Universität Erlangen-Nürnberg ist irritiert. Die „versuchte Beeinflussung, wie jetzt durch die russische Botschaft geschehen, ist im Sinne der Wissenschaftsfreiheit nicht zu akzeptieren“.

Journalisten mehrerer Zeitungen wurden ebenfalls mit „freundlichen Grüßen“ aus Moskau bedacht.

Sehr geehrter Herr …,

die Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland benutzt diesen Anlass,
um Sie ihrer Hochachtung zu versichern, und möchte Sie informieren, dass am 19. Juni 2020 ein Grundsatzartikel des russischen Präsidenten Wladimir Putin „75. Jahrestag des Großen Sieges: Gemeinsame Verantwortung vor Geschichte und Zukunft“ veröffentlicht wurde,
in dem anhand vieler Archivdokumente, mehrere von denen erstmals genutzt werden, Ursachen des schrecklichsten Konfliktes des 20. Jahrhunderts analysiert werden.
Der Beitrag befasst sich mit der internationalen Nachkriegsordnung und den Vorschlägen für eine weitere Kooperation zwischen führenden Ländern der Welt.

Die deutsche Fassung des Textes ist dieser E-Mail beigefügt.

Sicherlich wird der Artikel des russischen Präsidenten ein erhebliches Interesse von Ihren Leserinnen und Lesern sowie Intellektuellen und Personen wecken, die sich für die Geschichte interessieren, und eine breite öffentliche Diskussion zu den angeschnittenen Fragen anregen.

Mit Blick darauf schlagen wir Ihnen vor, den Artikel von Wladimir Putin vollständig oder in Teilen zu veröffentlichen sowie diesen künftig bei der Vorbereitung von historischen Beiträgen zu nutzen. In jedem Fall ist ein Link auf die ursprüngliche Quelle – Webseite des Präsidenten der Russischen Föderation – obligatorisch.
(http://kremlin.ru/events/president/news/63527 oder http://en.kremlin.ru/events/president/news/63527)

Mit freundlichen Grüßen
Pressestelle
Botschaft der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland“

2020-06-26T22:02:03+00:00