„Wir Nationalisten kommen zurück!”
Der russische General i.R. Filatow will mit Soldaten und Umsiedlern der serbischen Kriegspartei helfen
Von unserem Korrespondenten Manfred Quiring, Moskau
In einem bescheidenen Büro auf einem Moskauer Hinterhof sitzt ein ehemaliger Generalstäbler der ehemaligen Sowjetarmee und zündelt: General i.R. Viktor Filatow.
In einer Zeit, in der noch der Sowjetstern anstelle der russischen Trikolore an den Türen der Armeefahrzeuge prangte, war Filatow Chefredakteur einer militärpolitischen Zeitschrift, Sprachrohr des mittlerweile aufgelösten sowjetischen Generalstabs. .Ich tat alles, um nachzuweisen, daß Jelzin und seine Regierung ein Okkupationsre- gime sind.” Mit Jelzins Machtantritt folgte die Entlassung, doch Filatow fand Unterschlupf beim russischen Innenministerium. Jetzt redigiert das Mitglied der Nationalen Rettungsfront die Zeitschrift „Situazija” für die 360 000 Mann starke Truppe dieses Ministeriums, die an den Brennpunkten des ehemaligen Sowjetreiches im Einsatz ist, und wartet auf seine Chance. „Im Moment bin ich General der Reserve, aber wir Nationalisten kommen zurück”, prophezeit er im Gesprach mit der Berliner Zeitung.
In der Freizeit gehört Filatows ganze Liebe dem Jugoslawien-Konflikt. Er sammelt Freiwillige zum Einsatz auf serbischer Seite, denn -die Serben wollen, daß ihre Erde ihnen gehört, daß ihre rechtgläubige Religion ihre Religion bleibt”. An Freiwilligen für einen Einsatz in Jugoslawien herrsche kein Mangel. „Tausend, zwei-, drei- oder hunderttausend, kein Problem. Insgesamt geht es jedoch um eine Million aber nicht Soldaten, sondern Familien”, eröffnet er seinen Plan, den der Ex-General bereits mit der serbischen Seite besprochen hat.
Auswanderer sollen in der Nähe bleiben
Die USA hätten die Argentinier dazu bewogen, 300 000 russische Emigranten aufzunehmen: 200 000 aus dem Baltikum und 100 000 aus Rußland. Die Serben hatten eine andere Variante vorgeschlagen. „Sie wollen sie nach Serbien holen. Es sind ebenfalls Slawen, ebenfalls Orthodoxe, und es ist in der Nahe”, zählt Filatow die Vorzüge seines Planes auf. „Ich versuche, die 300 000, die in Argentinien geopfert werden
sollen, aufs serbische Gleis umzuleiten.”
Natürlich würden die Familien, die jetzt dorthin gingen, in die Kämpfe verwickelt. „Sie müssen ja schließlich sich, ihre Hauser und ihr Land verteidigen. Der ältere Bruder, der junge Ehemann – sie werden zur Waffe greifen müssen. Denn im Moment greifen die Kroaten an, es greifen die Moslems an. Es geht um die historischen Territorien des orthodoxen Serbien, die die Serben verteidigen.
Afghanistan-Veteranen sind schon vor Ort
Doch neben diesem Familienumsiedlungsplan hat Filatow auch gut ausgebildete Soldaten mit Kampferfahrung an der Hand, die nur auf den Einsatzbefehl warten. Seit Anfang des Jahres seien bereits etwa 4 000 Mann dort. Vor allem Afghanistan-Veteranen, die für monatlich 20 000 Dinar Soldnerdienste leisten, wie aus anderer Quelle zu erfahren war. Sie seien jedoch noch alle unorganisiert und auf eigene Initiative gegangen, „dafür war ich nicht zuständig”.
Auf die Frage, wie viele er mobilisieren konnte, lächelt Filatow nur. „So viele wie notig, unsere Reserven sind unbegrenzt. Es sind alles Profis zwischen 20 und 45 Jahren.” Noch seien allerdings keine Bataillone gebildet worden, unter anderem deshalb, um die arabische Welt – Saudi- Arabien, Irak und die afghanischen Mudschaheddin – nicht zum Eingreifen zu provozieren. Der weitere Verlauf, meint Filatow, hänge vom Westen ab. „Wenn sie auf der einen Seite die Mudschaheddin schicken, auf der anderen Seite die Katholiken, dann passiert es blitzartig. Die Stimmung dazu ist vorbereitet, eine Ankündigung genügt. Achten Sie auf mich. Wenn ich in Jugoslawien auftauche, dann gibt es dort auch russische Bataillone. Solange ich hier in Moskau bin, noch nicht.”
Hindernisse, beschwert sich Filatow, hätte Ungarn aufgetürmt: „Es laßt bereits keine Touristen aus Rußland mehr durch.” Aus dem russischen Außenministerium komme das Gerücht, daß keine Touristen- Visa für Jugoslawien mehr erteilt werden sollen. Unbedenklichkeitsbescheinigungen hat er sich dagegen im Innen- und Justizministerium für seine Aktionen geholt.
„Dort interessiert es niemanden, was ein Russe in Jugoslawien macht. Er untersteht dann nicht mehr russischen Gesetzen, sondern den jugoslawischen.” Also geschehe nichts Illegales.
Schützenhilfe für Milosevic
Der in die Reserve versetzte General feiert den zweifelhaften Wahlsieg des serbischen Präsidenten Milosevic fast wie seinen eigenen Erfolg. „Ich war kurz vor den Wahlen dort, in Uniform, und habe am Wahlkampf teilgenommen.” Im Rundfunk und in Fernsehauftritten habe er sich für Milosevic und in die Bresche geschlagen. „Seseh bezeichnen sie dort als Faschisten, aber er ist mein Freund, ein Nationalist.” Als ein Treffen mit Seseli zu einem Skandal wurde, hätten ihn neben franzosischen auch „deutsche Nationalisten” unterstützt, freut sich Filatow, der offensichtlich von einer neuen Internationale derer, die er Nationalisten nennt, sehr angetan ist.
In einer zweistündigen Begegnung mit Milosevic – „wir sprachen wie zwei Slawen, die einander gut verstehen” – habe er seinem GeSprachspartner
erklärt, daß nichts Verwunderliches daran sei, daß Rußland in der UNO wie Washington stimmt. „Wir haben hier eine Okkupationsregierung, eingesetzt von den USA. Direkt neben dem Büro von Jelzin sitzt Geoffrey Sachs, ein amerikanischer Jude. Der befiehlt Jelzin, was zu tun ist.”
Wenn das so weitergehe, brüstet sich der forsche Ex-General, „schaffen wir parallele Strukturen von unten, darunter ein Verteidigungsministerium und ein Außenministerium, und dann werden wir den Serben helfen”. Nach der Machtergreifung durch die Nationale Rettungsfront – „das wird schon bald sein” – werde sofort öl nach Jugoslawien fließen. Ungeachtet des UNO-Embargos? „Wir treten sofort aus der UNO aus. Denn diese Organisation hat sich in eine Straforganisation verwandelt. Darin habe ich mit Milosevic übereingestimmt. Ich habe das auch dort im Fernsehen gesagt – die UNO ist eine faschistische Organisation geworden, ein Instrument der CIA, der USA.” Das öl werde auf jeden Fall fließen, „dafür bringen wir alle unsere Raketen in Startbereitschaft. Sollen sie nur versuchen, uns zu verbieten, den Serben unser öl zu geben!”
Noch trainleren diese russischen Soldaten In den Wäldern Moskau. Geht um es nach Filatow, sollen sie schon bald In Ex-Jugoslawlen die „gemeinsame slawische Sache” vertreten.
Foto: Reuter
Berliner Zeitung, Mo. 28. Dezember 1992
Jahrgang 48 / Ausgabe 302 / Seite 7
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