Mord wird im Kreml offiziell hoffähig

Meuchelmorde zählten schon immer zum Repertoire sowjetischer und russischer Herrscher. Doch während man früher jede Verantwortung dafür abstritt – siehe der Berliner Tiergartenmord vom August 2019 -, gehören sie neuerdings zu den „Episoden aus der glorreichen Vergangenheit“. Mordanschläge wurden jetzt offenbar zum offiziellen Instrumentarium der russischen Staatspolitik erhoben. Diese Erkenntnis verdanken wir dem russischen Ex-Präsidenten (2008-2012) und jetzigem Vize des russischen Sicherheitsrates Dmitri Medwedjew.

In einem Beitrag für den Messenger-Dienst Telegram hat der Putin-Intimus die Ukraine ganz im Sinne seines Herrn beschuldigt, sie habe sich „geistig in das Dritte Reich“ verwandelt, die Namen „von Judas und Nazi-Schergen“ in ihre Geschichtsbücher geschrieben. Sie werde deshalb das Schicksal des Dritten Reiches erleben, droht Medwedjew. Nicht nur die „aktuelle Sonderaktion“ – gemeint ist Russlands blutiger Krieg in der Ukraine – werde den dortigen „Freaks“ eine Lehre sein. Auch Anschläge gegen unliebsame Ukrainer im westlichen Ausland seien zu gewärtigen, verkündete der stellvertretende Chef des russischen Sicherheitsrates. Genussvoll verwies er auf Pavel Sudoplatovs Bluttat im Jahr 1938. Sudoplatov habe den ukrainischen „Nationalisten Eugene Konovalts ermordete, indem er diesem Süßigkeitenliebhaber in Rotterdam höflich eine Bonbonschachtel mit einer Bombe überreichte“, die ihn tötete. Solche „Geschenke“ werde es „noch viele“ geben, kündigte Medwedjew jetzt an.

Schließlich seien die von Präsident Wladimir Putin vorgegebenen Ziele – „Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ – komplexe Aufgaben, die „nicht von heute auf morgen“ zu bewältigen seien. „Und sie werden nicht nur auf dem Schlachtfeld gelöst werden.“ Erst wenn das „blutige und von falschen Mythen geprägte Bewusstsein eines Teils der heutigen Ukrainer“ überwunden sei, werde es möglich, „endlich ein offenes Eurasien – von Lissabon bis Wladiwostok – aufzubauen“.

Medwedjew, der Mann aus dem inneren Führungskreis des Kremls, machte damit einmal mehr deutlich, wohin die Reise, die zunächst in der Ukraine ins Stocken geraten ist, eigentlich führen soll. Die Erfahrungen des Totschlägers Sudoplatov, der auch für die Ermordung von Leo Trotzki 1940 in Mexiko verantwortlich war, sind Medwedjew zufolge heute wieder willkommen.

2022-04-08T18:06:47+00:00