Fünf Jahre okkupierte Krim
An diesem Morgen, am 18. März, erreichte mich eine kurze Nachricht von einem russischen Freund aus Moskau: „An den Häusern hängen die Flaggen der Russischen Föderation“, schrieb er mir. „Das Land feiert den fünften Jahrestag des Anschlusses der Krim und wundert sich, dass es zu einem geächteten Staat wurde. Und dass die Welt uns aus irgend einem Grunde nicht liebt.“
Diese Verwunderung ist fünf Jahre nach der Tat in Russland, freilich nicht bei einigen meiner russischen Freunde, immer noch groß, wenngleich sie schon etwas gebremst scheint. Nur die Eliten um den Kreml herum beharren darauf, dass alles rechtens war, was die „grünen Männchen“ auf der Krim und die angeblichen „Selbstverteidigungskräfte“ in der Ostukraine angerichtet haben. Unter dem verlogenen Hinweis darauf, man müsse ethnische Russen vor „ukrainischen Faschisten“ schützen.
Tatsache ist, dass Russland internationale und bilaterale Verträge und Vereinbarungen gebrochen hat, um seine Ziele in der Ukraine zu erreichen. Zur Erinnerung (die Tatsachen sind natürlich bekannt, sie werden nur allzu leicht auch in Deutschland vergessen und verdrängt, deshalb die Wiederholung):
– Die Charta von Paris für ein neues Europa, unterzeichnet im November 1990 in der französischen Hauptstadt, u.a. vom sowjetischen Präsidenten Gorbatschow. In dem Bekenntnis zu Demokratie, Frieden und Einheit steht u.a.: „Wir sind entschlossen, bei der Verteidigung der demokratischen Institutionen gegen Verletzungen der Unabhängigkeit, souveränen Gleichheit oder territorialen Integrität der Teilnehmerstaaten zusammenzuarbeiten. Dazu zählen illegale Aktivitäten unter Anwendung von äußerem Druck, Zwang und Subversion.“
– Im Budapester Memorandum zum Vertrag über den Beitritt der Ukraine zum Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen vom 5. 12. 1994 verpflichteten sich die Russische Föderation, die USA und Großbritannien, die Unabhängigkeit, die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine zu achten und sich jeder Androhung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten.
– Die Unverletzlichkeit der Grenzen vereinbarten die Russische Föderation und die Ukraine im Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft vom 28. 5. 1997, den Boris Jelzin und Leonid Kutschma in Kiew unterzeichneten.
– Am 28. 1. 2003 unterzeichneten Kutschma und der neue russische Präsident Wladimir Puti den Vertrag über die gemeinsame Staatsgrenze, wobei die Krim als unbestrittener Teil der Ukraine behandelt wurde.
Im August 2008, nach dem Georgien-Krieg, als russische Truppen noch – völkerrechtswidrig – auf georgischem Territorium standen, gab Russlands Präsident Putin in einem Interview mit dem damaligen ARD-Korrespondenten Thomas Roth den Entrüsteten. Auf die Frage von Roth, ob Moskau nach dem Georgien-Konflikt jetzt den Blick in eine andere Richtung wende, ob eventuell die Ukraine oder die Krim zum nächsten Ziel werden könnten, erregte sich der Kremlchef: Diese Frage rieche nach einer Provokation. Vielmehr sei die Krim – wir sind immer noch im August 2008 – „kein strittiges Gebiet… Und Russland hat vor langer Zeit die Grenzen der heutigen Ukraine anerkannt.“ Und weiter: „Dort, innerhalb der Gesellschaft, auf der Krim, finden schwierige Prozesse statt. Dort gibt es Probleme mit den Krimtataren, der ukrainischen Bevölkerung, der russischen Bevölkerung, allgemein der slawischen Bevölkerung. Aber das ist eine innenpolitische Angelegenheit der Ukraine selbst.“ http://www.tagesschau.de/…/putininterview100~_origin-31e567…
Als die ukrainischen Aufständischen auf dem Kiewer Maidan zu Jahresbeginn 2014 den korrupten Wahlfälscher Janukowitsch davonjagten (ein innenpolitischer Vorgang) und der ukrainische Staat in schweres Fahrwasser geriet, glaubte Moskau seine Stunde gekommen: Es schlug auf der Krim zu, es griff die Ukraine im Osten an.
Von meinem Freund Igor lernte ich damals eine russische Wendung, die ich bis dahin noch nicht gekannt hatte: „Plocho leschit“, da liegt was herum. Sagt der Gauner und greift zu.