Ausflug nach Tarusa 2020-09-19T07:59:52+00:00

Ausflug nach Tarusa – Donnerstag, 15.9.16

Auf dem Wege in die Provinzstadt, auf der Fernverkehrsstrasse „Krim“, überholen wir eine grosse Militärkolonne. Verstärkung für die „höflichen Menschen“ auf der von Russland besetzten ukrainischen Halbinsel? Die Kolonne zieht weiter nach Süden, wir biegen in östlicher Richtung ab.
Die reparaturbedürftige Straße, an einer Stelle wird tatsächlich Asphalt gelegt, ist in den Ortschaften von großen Plakaten gesäumt. Am kommenden Sonntag (18.9.) wird die neue Duma gewählt. Eins fällt mir besonders auf. Ein Kandidat der vom Kreml geschaffenen Partei Gerechtes Russland behauptet darauf, „Geld ist vorhanden!“ und fordert, „Gebt es den Menschen zurück!“

Mehr als ein Wahlkampfslogan ist das freilich nicht, Putins Millionären und Milliardären droht vom Gerechten Russland keine Gefahr.
Die geht eher vom Kreml aus. So wurde der Milliardär Viktor Wekselberg dieser Tage verpflichtet, sich um das Wohnungswesen von Workuta zu kümmern, d. h. die anfallenden Kosten aus eigener Tasche zu bezahlen. Geld fanden die Behörden auch in der Privatwohnung eines Oberstleutnants aus dem Innenministerium: Valuta im Wert von acht Milliarden Rubel (1 Euro – 73 Rubel).

Foto oben: Hello Kitty, die russische Variante. Gefunden auf einem weissen „Japaner“ in Serpuchow. Am Lenkrad eine junge, gut aussehende Tochter des Landes.

Tarusa ist für die sowjetische Dissidenten- und Künstlerszene von besonderer Bedeutung, der Ruf der Start wirkt bis heute nach. Hier lebten zeitweilig Marina Zwetajewa, deren Ehemann von Stalins Schergen erschossen wurden, sie selbst starb in der Verbannung. Bella Achmadulina erlitt ein ähnliches Schicksal. Ihre Denkmäler stehen auf dem Steilufer hoch über der Oka, ebenso das für den Konstantin Paustowski.
Junge Leute ohne allzu viele Kenntnisse von der Vergangenheit sehen die Stadt mit anderen Augen. Ihnen fallen eher die wenig erfolgreichen Versuche auf, der berühmten russischen Provinzstadt ein wenig Glanz zu verleihen. Kichernd weigern sich Enkel und Enkelin, den Hochzeitsgarten zu betreten und sich dort ablichten zu lassen. Mein Vorschlag, Paul möge sich für ein paar Minuten ein Mädchen aus Tarusa für ein „historisches“ Foto ausleihen, wurde ebenfalls strikt verworfen. Irgendwie verständlich, denn der kleine Garten vor der Stadtverwaltung glich eher einem Kinderspielplatz. Igor klärte mich bei der Gelegenheit darüber auf, dass „heiraten“ im Russischen „Igratj swadbu“ heisst – Hochzeit spielen! Es ist aber durchaus ernst gemeint – bis zur Scheidung.
Das wahre Leben der Stadt, klärt mich Karina auf, finde ohnehin in den Datschen-Siedlungen außerhalb statt.
Mühsam, aber interessant: Wanderung durch Tarusa.

Hier sollten eigentlich noch ein paar Zeilen von Paul stehen. „Mach‘ ich, Opa!“ versprach er, um dann nicht mehr darauf zurückzukommen…
Nach der Rückkehr nach Alatschkowo – noch vor der Sauna – überkommt mich eine Wahnsinnsidee: Lass uns eine Partei der echten und wahren Freunde Russlands und Deutschlands gründen, in der weder russische Nationalisten noch deutsche Putin-Freaks (Krone-Schmalz, Platzeck) einen Platz haben werden. Igor ist begeistert, wir werden an dem Projekt arbeiten. Nach der Sauna!

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