“Krim nasch” auf dem Fussballfeld
Mit einem Blick auf den russischen T-Shirt-Kult
Lokomotive Moskau wird sein Europa-League-Heimspiel gegen Fenerbahce Istanbul (Hinspiel 0:2) am kommenden Donnerstag (25. Februar 2016) ohne seinen Nationalspieler Dmitri Tarassow bestreiten müssen. Nicht nur, weil er nach seiner dritten gelben Karte für ein Spiel gesperrt wurde. Sondern auch, weil er sich nach der Niederlage in Istanbul mit einem T-Shirt ablichten lassen, mit dem er eine klare politische Botschaft zur Schau trug, was nach der Satzung der UEFA verboten ist.
In diesem Falle bemühte der patriotisch gesinnte Tarassow das Porträt von Präsident Wladimir Putin, das mit der in Russisch verfassten Aufschrift „Der höflichste Präsident“ versehen war (Foto oben). Die Anspielung auf die völkerrechtswidrige Okkupation der ukrainischen Krim, die sich Russland im März 2014 im Schatten der gerade beendeten Olympischen Winterspiele in Sotschi geleistet hat, mag sich dem Unkundigen nicht sofort und auf den ersten Blick erschließen. Die russische Propaganda ist feinsinniger geworden. Wer kann schon etwas dagegen haben, wenn ein Fußballer, begeisterter von seinem unübertrefflichen Präsidenten, eben den als den „höflichsten“ bezeichnet?
Tarassow hatte freilich mit seiner Provokation eine direkte Verbindung zur Krim-Okkupation hergestellt. Dort hatten bewaffnete „grüne Männchen“ in nicht gekennzeichneten Uniformen kurz vor dem Pseudo-Referendum über die Unabhängigkeit die Macht übernommen. Interpretation Putins: Das waren „höfliche Menschen“ – später gab er das Offensichtliche zu, es habe sich um russisches Militär gehandelt –, die angeblich einen störungsfreien Urnengang gewährleistet hätten. Der dann, welche Überraschung, im Interesse Russlands ausging. Unregelmäßigkeiten und Fälschungen wurden unter den Tisch gekehrt.
„Krim nasch“, die Krim gehört uns, ist seither ein Schlachtruf russischer Patrioten. Sie unterstützen damit den „Höflichsten aller Präsidenten“, dem sie diese vermeintliche Großtat zu verdanken haben. So auch Sportsfreund Tarassow, der eigentlich nur seine Unterstützung für den Herrn im Kreml habe ausdrücken wollen, wie er nach dem Spiel in aller Unschuld sagte. Und diese Hilfe, so glauben der Fußballer Tarassow und sehr viele seiner Landsleute, braucht der Präsident, braucht Russland heute dringender denn je. Schließlich kommt die Gefahr aus dem Westen, glauben sie in Verkennung von Ursache und Wirkung. Dabei war “Krim nasch” der Auslöser der Spannungen, und nicht umgekehrt.
T-Shirt oben: Unsere Antwort auf die Sanktionen der USA.
Im kollektiven Jubel und in den Hassausbrüchen gegen „den Westen“, zu dem nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges nun auch die Türkei gehört, fühlen sich aufgeputsche Nationalpatrioten erst so richtig wohl. Vermittelt es ihnen doch das Gefühl, ein kleines Rädchen in etwas Großem, ein Teil eines Ganzen zu sein, dass sich geschlossen der bösen Außenwelt entgegenstemmt. Und vor allem dann, wenn es zu Hause nicht mehr rund läuft, “erheben wir uns von den Knien” und zeigen es der Welt.
T-Shirt-Text: Ich bin Russe.
Die Kremlpropaganda weiß, dass auf diese Weise eine Burgfrieden-Mentalität erzeugt werden kann. Inzwischen ist in Russland eine Atmosphäre entstanden, in der Widerspruch Vaterlandsverrat. Die Masse schweigt oder demonstriert- siehe Tarassow – Ergebenheit. Schützenhilfe bekommt Tarassow, der erst einmal eine 300.000-Euro-Strafe zahlen muss, vom „diensthabende Patriot Russlands“. Ramsan Kadyrow, hat sich bereits zu Wort gemeldet und ihm angeboten, ihn in seine Heimmannschaft Terek Grosny zu übernehmen, einschließlich aller zu zahlenden Strafen.
T-Shirt-Text: Beleidigungen lasse ich nicht zu.
T-Shirt-Text: Wer uns beleidigt, überlebt keine drei Tage. W. W. Putin